Mit strahlendem Sonnenschein begann der "Haupttag" der Reise - der Radtag "Stilfser Joch / Stelvio". Zufrieden, so früh (8:30) vom Quartier weggekommen zu sein, lief das Rad von selbst bergab Richtung Campingplatz/Bahnhof Mals. Kurz vor dem Bahnhof klemmte plötzlich die hintere Gangschaltung und ich blieb stehen, um sie zu reparieren. Zuerst noch hoffnungsfroh, sank die Stimmung tiefer und tiefer, als mir nach fast 1 Stunde (!) klar wurde, daß es keine Lösung geben würde.
Was also tun ??? Die Sonne brannte unbarmherzig auf meine Birne und geschätzte hundert Radler waren vom Bahnhof bereits an mir vorbei Richtung Prad gefahren.
So beschloß ich, hinten die kleinste Übersetzung fix einzustellen und trotzdem zu versuchen, das Stilfser Joch zu bezwingen.
In der Ebene war das furchtbar mühsam, mehr als 16km/h waren trotz schnellstem "Haxeln" nicht drin. Aber Prad war dann doch um 10:30h erreicht und es ging mit hunderten anderen Radfahrern bergan. Die meisten von ihnen waren mit Rennrad unterwegs.
Da im unteren Teil der Paßstraße viele Stellen mit Wald vorkommen, war die Fahrt anfangs nicht besonders anstrengend, weil Schatten am Berg immer eine wohltuende Wirkung hat. Die Stimmung war aber noch immer schlecht, denn sich ganz allein dort hochzuquälen ist keine lustige Aussicht. Ich dachte, alle Freunde vom Rad-Forum wären bereits einige km vor mir und nicht mehr einzuholen. An einer heißen Stelle legte ich wieder einmal eine Rast ein, während der mich überraschend Alex aus Luxemburg einholte. Er war mit den anderen schon früh gestartet, hatte aber kurz nach Prad plötzlich alle Symptome einer Lebensmittelvergiftung und alles von sich gegeben. Nach einer längeren Rast beschloß aber auch er, so weit hochzufahren, wie es eben ging. Wir fuhren dann einige Zeit (wie im Vorjahr) gemeinsam hoch. Tatsächlich erreichten wir die Franz Josefshöhe (14h30 ca.), wo er gleich weiter fuhr - ich aber eine Pause brauchte und meinen Durst löschen mußte. Frisch gestärkt ging es an den zweiten Teil bis zur Paßhöhe. Wenn man einmal bei der Franz Josefshöhe ist, wird man zwar durch den Anblick der gewaltigen Serpentinen, die vor einem liegen, abgeschreckt. Aber da die vor einem liegenden Höhenmeter viel weniger sind, als die bereits bezwungenen, steigt der Ehrgeiz und der Wille zum Gipfelsieg. Also weiter, weiter, weiter. Die Kehren sind alle mit Tafeln numeriert, beginnend weit unten mit Kehre 48. Kehre 1 ist also die letzte. Bei Kehre 11 machte ich eine Fotopause und da war auch ein Paar, die sehr überlegten, ob sie weiterfahren sollten. Ich munterte sie auf, indem ich ihnen sagte: "nur mehr 300 Höhenmeter - das schafft ihr" und ich glaube, sie fuhren dann doch hoch. Endlich wurden dann die Nummern einstellig und auf der Straße steht irgendwann "noch 4km, 3km, 2km..." und die Kraft wird weniger. Bei Kehre 1 machte ich noch eine Rast, es mußte sein - und dann war ich einfach OBEN. Leider war der Kfz-Verkehr mittlerweile wieder freigegeben worden und sorgte auf den letzten Kehren für genug Ärger und gefährdete geschätzte 1000 Radfahrer, die noch bei der Abfahrt (nach Prad) unterwegs waren. Oben hatte Alex auf mich gewartet, er war einige Minuten vor mir angekommen (ca. 16:15) und wir fotografierten einige Gruppen, bevor wir unser "Gipfelfoto" bekamen. Dann steuerten wir wie im Vorjahr das ital. Café an und genehmigten uns Kaffee und Torten. Bei der Abfahrt stellte ich meine hintere Übersetzung fix auf eine mittlere Übersetzung ein und sagte Alex, er solle nicht auf mich warten, da es bei mir langsamer gehen würde. Und dann ging es bergab - schnell, schneller. Mit ungutem Gefühl, weil ich nicht weiß, wieviel Abrieb meine Felgen noch vertragen werden, bevor sie "zu Ende" sind. Die Asphaltstraße geht weiter unten dann in eine Schotterstraße über, was schlecht für das Abfahren ist - es rumpelt fürchterlich durch die Querrinnen vom Regenwasser. Aber es hat auch was gutes - weil die Straße so "schlecht" ist, ist der Verkehr wirklich minimal. Diesmal zog sich die Straße nicht endlos in die Länge, wie im Vorjahr, weil ich schon wußte, daß es ziemlich viele km bis zurück nach Mals sind.Auch nach Sta. Maria geht es weiterhin bergab und man braucht sich nicht anzustrengen. Auch meine fehlende Schaltung war kein Problem bei der Abfahrt. Kurz vor Mals holte ich sogar Alex nochmals ein und sehr zufrieden fuhren wir in Mals ein - er zum Campingplatz und ich in mein Quartier. Ein gewisses Glücksgefühl kann man nicht bestreiten und die Freude auf ein gutes Abendessen tut ein übriges. Bei einer sehr guten Pizza und Weizenbier wurde der Tag gefeiert und der anschließende Schlaf war tief und lang.
Anfahrt Mals-Prad: Agums Panorama | Blick Richtung Prad: Sulden Bach | |
Erste Labestation war bei Kehre 31 | Panorama bei Kehre 31 | |
Richtung Sulden Panorama | Kehre 11 - Panorama | Kehren oberhalb Franzenshöhe |
Ohne große Hast, noch etwas müde vom Vortag und bei bewölktem Himmel startete ich gegen halb elf meine Rückreise zum Reschenpaß. Bald stellte sich Hunger ein und ein Sportzentrum lockte mit "Pizza vom Holzkohlenofen". Also kehrte ich ein, aber Pizza gibts dort nur abends. Da mußte sich mein Körper mit Spaghetti Carbonara zufrieden geben. Diese waren aber sehr sättigend. Gemütlich gings weiter nach Reschen und nach Nauders. Mittlerweile war in mir der Entschluß gereift, den im Vorjahr begonnenen "Innradweg" heuer zu vervollständigen und den Inn bis zum Malojapaß zu begleiten. In Nauders strömte der Verkehr ausgerechnet Richtung Norbertshöhe. Fast wollte ich schon umdrehen und Richtung Pfunds fahren, wo ich die anderen Radler treffen hätte können. Aber auf der Karte sah ich, daß der Grenzort Martina nicht weit sein konnte - also nahm ich den Horror-Verkehr in Kauf und fuhr Richtung Norbertshöhe. Diese war schnell erreicht (von Nauders sind es nicht einmal 100 Höhenmeter) und dann gehts hinab in einigen Serpentinen. Da fuhren selbst die Motorradfahrer nicht schneller hinunter. Trotzdem war ich froh, als ich den schweizer Grenzübergang bei Martina erreicht hatte, wo mich der Grenzbeamte nur durchwinkte. Dann war der Verkehr plötzlich weg. Schon in Nauders hatte mir ein Autofahrer erklärt, daß der Verkehr wegen der Finstermünz-Baustelle von Pfunds über Martina und die Norbertshöhe umgeleitet wird. Normal ist dieser Streckenabschnitt optimal für die Radler, da kaum befahren.
Nun war ich im Inntal und in der Schweiz. Die großzügigen Südtiroler Radhinweisschilder (VORBILDLICH !!!)
waren verschwunden und winzige rote Radfahrzeichen gelegentlich zu sehen. Meist ohne Kommentar woher und wohin und ergänzt durch ausschließlich in Rätoromanisch verfassten Berghinweisen. Ich vertraute den Radzeichen und es gefiel mir auch die schöne Landschaft, wo sie mich hinschickten. Aber das wurde dann heftig. Nicht nur daß der Weg extrem steil wurde - er war auch nicht asphaltiert, sondern besonders steinig und schotterig. Sogar ein Mountainbiker mußte aus dem Sattel und ich konnte 50m nur durch schieben bewältigen. Als "Belohnung" gibts einen herrlichen Ausblick auf die "Bundesstraße" tief unten im Inntal und kaum ohne große Steigung. Die ersten Orte liegen nordwestlich hoch über dem Inntal (Tschlin, Seraplana, Ramosch, Sent). Langsam wurde es Abend, denn auf den schweizer "Rad- und Mountainbikewegen" kommt man nur langsam voran. Ich wählte also Scuol/Schuls zur Übernachtung aus. Vorher war ich noch durch einen Kunstpark im Wald und dann beim Camping Scuol vorbeigekommen. Der Inn (dort heißt er "En") wurde überquert und steil zum Ort hochgefahren. Von freundlichen schweizer Touristen hatte ich noch erfahren, daß unten beim Inn eine besonders bekannte Quelle mit Magnesiumwasser sei (zurück hinab wollte ich aber nicht) und daß im Ort überall Brunnen wären, die zwei Auslässe hätten - eines für normales Wasser - und eines für Magnesiumwasser. So war es auch, das Magnesiumwasser schmeckt vom Brunnen sehr gut, aber nach einigen Stunden in der Flasche eher elendig. Man erkennt die Magnesiumquelle leicht an der Braunverfärbung beim Brunnen. Ich fuhr den ganzen Ort ab und suchte nach Hinweisen auf "Zimmer", aber die Schweiz ist anders. Dort gibt es viel seltener Zimmer mit Frühstück privat, dafür sehr viele Ferienwohnungen, wo man sich dann selbst versorgt. Nach einigem Hin- und Herfahren war mir klar, daß unter 65 Franken (43 Euro) kein Quartier zu bekommen sein würde. Das erste Anbot in einem Hotel war 100 Franken. Schließlich landete ich in einem netten Hotel, wo ich sogar eine Dusche und WC im Zimmer hatte und das für 80 Franken.
Nun war endlich das Wochenende vorbei und ich hoffte auf die Radreparatur. Nach erster Auskunft gab es in Scuol keine Radwerkstätte, was sich bei Nachfrage in einem Sportgeschäft als falsch herausstellte. Es gibt dort sehr wohl einen engagierten Radhändler ("Tandem"), der mir helfen konnte. Zwar hatte er keine gleichartige 7-Gang Schaltautomatik lagernd, aber einen 7-Gang Drehschaltgriff. Nur widerwillig kaufte ich das Ding um 20 Franken (ca. 14 Euro). Zwar mußte ich den rechten "Ergon"-Handgriff dafür abmontieren und durch einen einfachen, kurzen Gummigriff ersetzen, aber ich konnte wieder schalten. Die ersten Stunden war ich noch skeptisch, daß mir eine Drehgriffschaltung behagen würde, aber mittlerweile bin ich von der Drehschaltung so überzeugt, daß ich sie behalten werde. Ich finde, die Schaltzeiten sind kürzer als mit dem "rapid fire"-Hebel. Und leichtgängiger finde ich die Schaltung auch. Die Hand mußte sich erst an den Drehgriff gewöhnen, da nun nicht mehr der Daumen die Hauptbelastung trägt, sondern die Daumenbeuge.
Das Wetter wurde immer besser und die Sonne war immer mein Begleiter. Ich blieb mehr als bisher auf der Bundesstraße nach St. Moritz, die breit genug ist, daß die Autofahrer nicht so knapp vorbeifahren müssen. Der verkehr war akzeptabel. Vielleicht habe ich aber einige Teile des Original Inntalradweges so nicht kennengelernt. In Susch, wo eine Straße zum Flüela abzweigt, siegte der Hunger und Durst und ich nahm Platz im einladenden Gastgarten des Hotels Steinbock. Das Bier ("Caland") schmeckte ausgezeichnet und die Spaghetti arrabiata waren ordentlich rabiat und scharf. Der nächste größere Ort war Zernez, wo ich mir eine Telefonkarte besorgte, mit der zu akzeptablen Kosten in vielen Telefonzellen nach Hause angerufen werden kann. Um etwa 18:30 erreichte ich La Punt und Chamues, wo ich einkaufte und dann beschloß, über Nacht zu bleiben. Der nächste Ort, Samedan hat einen Flughafen und ich wußte nicht, ob es dort dadurch nicht laut zuging. Ich fand ein Zimmer nahe Auffahrt zum Albulapaß (Richtung Bergün, Tiefencastel). Ich brachte das Gepäck ins Zimmer und weil ich noch nicht müde war, spielte ich mit dem Gedanken, noch auf den Albulapaß hinaufzufahren. Jedoch war es schon 19:30 Uhr und um 20:30 würde es dunkel werden. Trotzdem fuhr ich los. Mit der Ausrede, jederzeit umkehren zu können, wenn es zu gefährlich werden würde. Trotz wenig Gepäck und festem Treten wurde es immer dunkler und keine Paßhöhe zu sehen. Aber aufgeben ? nein, danke - so kurz vor einem wichtigen Paß. Ich setzte meine Stirnlampe auf, denn nur mit dem Dynamolicht sieht man bergauf nicht viel. Aus dem Dunkel leuchteten mir damit grüne Augen entgegen - das waren bloß die Kühe, denen dort auch die Straße gehört. Ca.21 Uhr war ich endlich am Ziel. Schnell einige Fotos mit dem Selbstauslöser und dann nichts wie "heim". Die Rückfahrt war dann nicht schwierig - Verkehr gegen null und die Beleuchtung hielt zum Glück auch durch. Klar fährt man etwas langsamer zurück als am Tag, aber wenn man vorher dieselbe Straße gefahren ist, weiß man wo es gefährlich ist. Unten ist man schnell und nach zusätzlichen 600 Höhenmetern schläft man tief und fest.
In Scuol | Weiter im Inntal | Ruine Susch | |
Susch | Rast am Radweg | ||
Junger Schweizer | LaPunt-Chamues vom Weg zum Albula | Um 21h am Albulapaß | |
Weiter gings nach Samedan mit seinem Flugplatz und dann vorbei an San Gian auf einem typischen "schweizer Rad und Mountainbikeweg" über einige Höhenmeter nach St. Moritz Bad. Landschaftlich aber reizvoll. Dann folgen einige schöne Seen, (das schönste Fotomotiv -) der Champfèrer See, der Silvaplaner See, sowie der Silser See (Lej da Segl). Und gleich dahinter befindet sich schon der Maloja Paß. Dort hieß es sich entscheiden - entweder weiterfahren nach Chiavenna (Seehöhe 325 m ca.) oder zurück. Da ich nicht 1500 Höhenmeter hinunter wollte (irgendwann muß man ja wieder hoch), fuhr ich zurück und bei Silvaplana bog ich zum Julier Paß ab. Außer dem strahlend blauen Himmel, der die Sonne voll herabbrennen ließ war der Paß kein Problem. So gut es ging, versuchte ich mich gegen Sonnenbrand zu schützen. Als ich oben war, wurde es schon wieder fast Abend und so reichlich sind die Orte nach dem Julier Paß nicht gesät. Also übernachtete ich in Bivio in einem kleinen Hotel mit Restaurant und das Abendessen war somit auch gesichert.